Am Sterbebett
Ich sitze mit dir ________ und weiß nicht, ob du mich hören kannst.
Ich wache über dein Atmen
und frage mich, wann der letzte Atemzug kommen wird.
Wann wirst du wirklich gegangen sein?
Was von dir wird bleiben, hier mit mir?
Ich sitze und erinnere mich daran, wer du warst,
und wer ich war mit dir.
Jetzt sind wir beide andere,
und die Verbindung zwischen uns ist anders.
Weiß du, dass ich hier bin?
Und bringt es dir Trost?
Möchtest du, dass ich hinausgehe?
Halte ich dich zurück, fessle dich an diesen Ort?
Ich möchte dich fragen, doch bin ich so voller Angst.
Möchtest du, dass ich hinausgehe? Bin ich dir im Weg?
Ich möchte Gott bitten, dich zu entlassen.
Ich möchte Gott bitten, mich zu entlassen,
doch ich weiß nicht, was es ist, zu dem hinein ich entlassen werde,
oder wohin du gehen wirst.
Aber jetzt sitze ich mit dir
und weiß nicht, ob du mich fühlen kannst,
ob du fühlen kannst, wie sehr ich dich liebe,
und weine,
und dich gehen lasse.
(Rabbinerin Sylvia Rotschild,
deutsche Übersetzung Annette M. Boeckler, aus J. Romain, Sprachlos Worte finden, 2015)